HERVÈ GARCIA NULLE PART

AUSSTELLUNG 21. Oktober - 24. November 2023   KÖLN

Ausstellungsansichten © by Simon Vogel, Köln

Werke (zum vergrößern auf Foto klicken) © by Simon Vogel, Köln

Herve Garcia kreiert Bilder mit Hilfe von Malerei und deren Materialien Leinwand und Farbe: Leinwandstücke oder Ausschnitte werden farbig gestaltet und später zusammengefügt zu einem größeren Ganzen, wobei die Stoßkanten und Nähte sichtbar bleiben. Oder sie werden aufeinander montiert, und überlagern sich, wie beim Prozess des Übermalens einer Bildstelle, hier aber offensichtlich gelassen. Die zusammengefügten Objekte werden im letzten Schritt montiert auf die klassische Bildebene einer aufgespannten Leinwand. Das „fertige“ Bild besteht also aus mehreren Schichten Leinwand und Farbe.

Die „abstrakten“ Bilder Garcias lassen zwei Bildtypen der modernen abstrakten Malerei  aufeinandertreffen und schaffen deren Verbindung. Die Singularität des Ereignisses trifft auf das randlose All-over oder eine ereignislose Struktur. Mit der Kombination beider, die ihm durch die Montage unterschiedlicher struktureller Teile zum Ereignis gelingt, hebt er den Widerspruch auf, und die Bilder bieten sowohl Darstellung, als auch Struktur. 

Die Montage sichtbar getrennter Leinwandstücke betont die Auswahl, als Mittel der Verbindungen. Es könnte anders zusammen passen. Der Betrachter wird hier mit einer möglichen Lösung konfrontiert, die aus ehemaligen Fragmenten besteht. Es ist kein Puzzle oder die Wiederherstellung eines ehemaligen Ganzen, sondern etwas Neues, das sich aus dieser Auswahl an Entscheidungen ergibt. Die Entstehung der Realität aus verschiedenen möglichen Wirklichkeiten. Die Versatzstücke, Anleihen und Zitate, die in der Malerei auftauchen, subsumieren malerische Lösungen von Realität seit Cézanne, und sie verpflichten sich letzten Endes einem Realismus, der  die Beschreibung unserer Bewußtseinsstruktur als singuläres Ereignis vollzieht. 

Die Ausstellung nulle part zeigt hauptsächlich Bilder aus zwei verschiedenen Gruppen von Arbeiten, die Garcia in den letzten Jahren entwickelt hat. Die erste Gruppe besteht aus quadratischen Bildformaten, die aus jeweils vier Quadraten bemalter Leinwand montiert werden. Die Malerei, der einzelnen Leinwandstücke bestehen aus unregelmäßigen Mustern oder Strukturen kurzer Pinselstriche, die einem Rhythmus erzeugen und an Notationen und Zählungen erinnern. Erst nach der Montage der „Quartetts“, meint man einen pointellistichen Stil zu sehen, der  Stellen eines impressionistischen Landschaftsgemälde entstammen könnte. Beim Betrachten startet ein Vexierspiel zwischen Konzept und Emphase, frei von Pathos, und einer Verbundenheit mit  grundlegenden empirischen Erfahrungen. Diesen Eindruck verstärkt der Künstler durch die Tatsache, dass er überall im Prozess erkennen lässt, dass er fast ausschließlich mit den Händen arbeitet und nur so viele Werkzeuge wie nötig einsetzt. Eine „Handarbeit“ im Denken, die behutsam die Stoffteile absteckt, die erst durch das Betrachten „zusammengenäht“ werden zum eigentlichen Bild.

Die Bilder der zweiten Gruppe gehören zu einem Konvolut von über 60 Arbeiten. Es sind kleine Querformate, auf denen übereinander bemalte Leinwände montiert sind. Hier wiederholt sich ein ovales Motiv, das im Zentrum jedes Bildes zu sehen ist, und gleichzeitig das Zentrum der darunter liegenden Leinwand überdeckt und das Zentrum des ganzen Bildes löscht, indem es als monochromer Fleck sichtbar wird und dem Bild am Ende seiner zentralen Bedeutung wieder beraubt. Es ist die Zeit, die als Paradox sichtbar wird. Die ovale Form stammt vom Abdruck der Spur des Künstlers auf dem Atelierboden. Er geht dieser förmlich nach und überdeckt im Moment den Ort durch seine Anwesenheit. Nulle Part heißt nirgends.

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