Ausstellungsarchiv

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GEESCHE ARNING

RED CARPET

23. November - 21. Dezember 2019

Denn Raserei lockt der Menschen Herz fort

Agamemnon führte die Griechen von Menelaos gegen Troja. Er war vor Ort, als Troja fiel. Doch zuvor, noch, auf seinem Weg mit den Truppen, erlegte er übermütig eine der heiligen Hirschkühe der Göttin Artemis. Diese verhinderte darauf die Abfahrt der Flotte aus der Hafenstadt Aulis; sie liess einfach keinen Wind wehen und forderte Agamemnons Tochter Iphigenie als Opfer. Aischylos berichtet, wie sein Heer Agamemnon unter Druck setzt und dieser gibt tatsächlich nach, im Namen des Krieges, den er eines Tages gewinnt.

Als er ruhmreich Heim kommt, erwartet ihn seine Frau Klytaimnestra. Sie lässt ihrem Mann einen purpurroten Teppich ausrollen - es ist hier bei Aischylos das erste Mal überhaupt in der überlieferten Historie, daß dieser besondere Bodenbelag erwähnt wird:

Was säumt ihr, Mägde, denen auferlegt das Amt,

Der Rasen auszuschmücken rings mit Teppichen?

Es glänze purpurstrahlend flugs der Pfad, worauf 

Ins Haus den unverhofften führen mag das Recht!

Das Weitere füge Sorge, die kein Schlaf besiegt,

Gerecht mit Götterhilfe, wie Geschick verhängt!

Das Purpur wurde aus tausenden und abertausenden zu diesem Zweck aus dem Meer gefangener und zerquetschter Purpurschnecken gewonnen. Ein enorm aufwändiger (und zugegeben grausamer) Prozess der das Rot ausserordentlich wertvoll machte. Agamemnon also weiß, das der Gang über solch einen roten Teppich den Göttern vorbehalten ist.

Ich wahrlich setze nimmer, als ein Sterblicher,

Auf bunte Prachtgewebe ohne Scheu den Fuß!

Kurz, ehre mich als Menschen, nicht als einen Gott! 

Auch ohne Purpurhüllen und Fußteppiche

Doch er lässt sich, bei seiner Eitelkeit gepackt, überreden.

Klytaimnestra: Was, glaubst du, täte Priamos wohl nach solchem Sieg?

Agamemnon: Auf stolzen Purpur, glaub ich, trät er sicherlich.

Zumindest noch seiner Schuhe entledigt er sich vor seinem Weg in den Palast. Im Palast angekommen wird er von seiner Frau (und Mutter Iphigenies) Klytaimnestra und derem Liebhaber Aigisthos mit einer Axt ermordet. Ob vor Aulis oder im Purpur, das Meer gestaltete Agamemnons Schicksal.

Wo Klytaimnestra in Aischylos Stück den Zeus anruft, ihr Gebet zu vollenden, liegt die Deutung nahe, daß der profane Mord eine von den Göttern Gebilligter war, hatte Agamemnon doch den Frevel begangen als Mensch den roten Teppich zu betreten. 

Die Geschichte des Glaubens (und nicht alleine diese) portraitiert so Einige, welche sich in törichter Selbstüberschätzung selbst preis gaben.

Im Alten Testament, bei Daniel (im fünften Kapitel) findet sich sie Geschichte um den babylonischen Regenten Belsazar, dem ein wie von Geisterhand an die Wand seines Palastes geschriebene Schrift: „Mene mene tekel u-pharsin“ verheisst: 'gezählt, gewogen, geteilt". Daniels Deutung: "Tekel - Gewogen wurdest du auf der Waage und für zu leicht befunden" mag ebenso als Epitaph Agamemnons vorstellbar sein. Auch Belzasar überlebte die der Weissagung folgende Nacht nicht.

Doch lesen wir an der Wand von Geesche Arnings Ausstellung kein Menetekel, das "writing on the wall" verkündet: Shin - Gimel - Aleph - Teth - Zaijn 

Im Hebräischen können auch den einzelnen Buchstaben Bedeutungen zugewiesen werden, sie sind nicht ganz eindeutig, eröffnen daher einen assoziativen Spielraum:

Shin - Zahn, Essen, entzweien, verzehren,

Gimel - Kamel, göttliche Intention, sich sammeln gehen

Aleph - Opferstier, ewiger Gott, Anfang, Stärke, Energie

Teth - Neues Leben, Frucht, Schlange, umgebend, erhaltend

Zajin - Schwert, Konflikt Reflexion, Ernähren, Abschneiden

Ist es nicht sonderbar, wie uns "Zaijn" in den weltlichen Raum der Galerie zurückführt? Es symbolisiert die Trennung von Wort und Fleisch als nährende Substanzen. In der profanen Kunst wird nicht mehr das Heilige vom Weltlichen getrennt, sondern die Kunst von der Nicht-Kunst. Eine letztlich noch dramatischere Trennung, welche das Kunstobjekt auf eine gewisse Weise heiligt und es zugleich entwertet, ausgesetzt dem beliebigen Urteil, welches über Gedeih und Verderb richtet. Seitdem die Götter verschwanden weiß der Mensch alles und jeder hat das Recht umgehend zu urteilen (wenn auch gesellschaftliche Hierarchien die Urteilskraft ungleich zuteilen). Die Galerie ist der Raum, in welchem Dinge sich, seit Marcel Duchamps Interventionen, von Berührbarem zu Nicht-Berührbarem wandeln und der damit klar kommen muß, daß es keine verbindlichen Regeln gibt für das, was in ihm zu sehen ist. Es ist auch der Raum, der die Freiheit der Kreativität zu behaupten, sowie - was bedeutungsvoller ist - zu bewahren hat und der in dieser Logik zugleich wieder und wieder erobert werden muss. Auf diese Weise symbolisieren alle in ihm gezeigten Werke die Frage danach, wie wir miteinander umgehen. Selten kommt es vor, daß diese Frage so explizit in den Werken angelegt ist, wie in den Arbeiten von Geesche Arning. Auf uns als einzelnen Betrachter zurückgeworfen, wird die Frage zu einer nach den Dingen: welchen Wert, ja welche Wirkung auf mich, ich ihnen zugestehe.

Die Antwort muss sich nicht unbedingt mit dem Leiden konfrontieren, Purpur wird längst kostengünstig künstlich erzeugt. Aber das ist nur die pragmatische Perspektive. Denn die Buchstaben an der Wand mögen den Blinden Fleck in der eigenen Wahrnehmung illustrieren. Bei Agamemnon hatte er die Form der Eitelkeit.

Traun*, der gesunden Kraft üppige Fülle birgt

Den zerstörenden Keim. Denn Siechtum haust

Stets, Mauer an Mauer, benachbart:

Also zerschmettert das Glück

Mitten im günstigen Lauf,

Unverhofft den Kiel an verborgner Klippe!

(Alle Zitate in Kursiv aus: Aischylos: Agamemnon - ΑΓΑΜΕΜΝΩ - in Deutsche übertragen von J. Minckwitz, Stuttgart, 1851)

(*Traun - Fürwahr, in der Tat)

Oliver Tepel

 

ROBERT KRAISS

FRENCH RUBBING TRANCE BLEEDING

7. September - 5. Oktober 2019

Oh weh, das Zentrum wurde leergefegt! Dabei wirkt es eigentlich einfach nur sauber, diese Art von sauber, welche man heute „clean“ nennt. Es ist erstaunlich, was aus den kleinen Geschäften wurde - welche überlebten, welche verschwanden. Traurig harren die einstigen Prunkbauten der Kaufhäuser einer neuen Verwendung. Doch die Zeit verlangt nun nach mittelgroßen Geschäften in denen ein Portfolio von Marken präsentiert wird oder eine Marke sich selbst zelebriert - sie kennen diese Klage verehrter Leser, ja, in allen Städten, die selben Marken.

 

SETH KINMONT

“Self as Crystal Ball…”

12. April - 29. Juni 2019

Model for Evolution of Consciousness

“Self as Crystal Ball…” was drawn in 1994. The initial thought was of a made object that stands outside of the body to reflect on. This reflection then changing the inside of the body and then in turn the next made object etc…

The first thought was of a perfect sphere. The initial attempt to make this was not that. It failed on all fronts. So each test is another attempt. The titles reflect the difficulty of that time, getting larger and larger until life-size.

Raw, Broke, Lost, Cracked, Empty, Mirror, Self as Crystal Ball.

Seth Kinmont

 

JULIA DAUKSZA

MUSTANG

26. Februar - 30. März 2019

Pony Cars, Wildheit auf den Plattformen von "Daddy's car" - das Bewährte im neuen Kleid für den Jugendlichen der 60er und 70er. Nicht ganz - die Leistung der Motoren wurde erhöht, für heisse Rennen des Nachts auf den Highways und Ausfallstraßen, "denn sie wissen nicht was sie tun". Nur der Mustang hat überlebt, das erste Pony Car und auch das letzte seiner Art.

Der Mustang auf der nächtlichen Straße im Lichtkegel eines Fahrzeugs ist ein schutzloses Wesen. Vielleicht ist er aus der Koppel ausgebrochen oder jemand vergaß, das Gatter zu schließen. Nun ist er allein in der vorgeblich zivilisierten Wildnis. Seine Stärke und seine Furcht gestalten die Bilder Julia Daukszas. Den starken Furchtsamen muss das Leben als seltsame Herausforderung erscheinen, als eine Gefahr, die alles Unbekannte potenziell birgt und doch zugleich als grosse Verheissung. Auch der Mustang ist ein neugieriges Wesen.

 

GEESCHE ARNING

RUGS

12. Januar - 9. Februar 2019

Ein graues Laken liegt nun wieder über der drei Grad kalten Stadt. Sie sagen, es soll wärmer werden, aber man fühlt es nicht. Gestern schenkte uns der Tag einige Sonnenstrahlen und dann, Abends, natürlich längst im Gewand der Winternacht, stand ich in diesem Raum, in dem sie sich nun auch befinden. Ich muss zugeben, ein wenig ungehalten ob Ihrer Präsenz zu sein. Nehmen Sie es nicht persönlich. Es ist wie an diesen Weihnachtstagen der Kindheit, wenn Sie das Glück hatten, beschenkt zu werden und es meist nicht abwarten konnten, diese Geschenke den Freunden zu zeigen, doch hin und wieder wollten Geschenke nicht geteilt werden, ihre Faszination suchte stille Innigkeit.