HELENA MÜNCH & HORST MÜNCH RETURN OF THE DAUGHTER OF LABORATORY LANDSCAPE

AUSSTELLUNG 4. Februar - 4. März 2023   KÖLN

Ausstellungsansichten © by Simon Vogel, Köln

 

Texte: Oliver Tepel

War es nicht so?: Mary W. Shelley stach sich, während sie Fasern dehnte und drehte, um einen Faden herzustellen, mit der Spindel in den Finger. Sie erblickte den Blutstropfen auf ihrer weißen Schürze und fiel sogleich in einen tiefen, traumreichen Schlaf. 

Ein Monster erschien ihr, menschengemacht und schön. Oder war es menschengemacht und deformiert? 

Zumindest die Traumfabrik kennt beide Versionen dieses Albs, den Verformten, liebevoll gespielt von Boris Karloff, und die bizarre Schönheit, manisch elektrisiert: Frankensteins Braut in der Verkörperung durch Elsa Lanchester. 

Die Tochter britischer Sozialisten besuchte als Kind in Paris die Tanzschule Isadora Duncans, welche für die Moderne das Leben und den Fluss der Natur in die Bewegungen des Tanzes zurückbrachte, doch von ihren Schülerinnen, so berichtete Lanchester, ließ sie sich die Hand küssen.

Elsa Lanchester fand die freundschaftliche Liebe bei jenem Mann, der den Verformten, den leidenden Körper, wie kein anderer zu mimen verstand, Charles Laugthon, weltbekannt durch seine Darstellung des Glöckners von Notre Dame.

Sie lebte länger als er und einst danach gefragt, ob er sich in manchen Rollen mochte, antwortete sie: "He never liked himself in a role", fügte aber relativierend hinzu, dass dies sich nach einigen Jahren mitunter legte.

Mag derart die Rettung vor der Kunst sein, sich als Verformter wähnend oder als Verformender verstehend und dies irgendwann doch lernen zu würdigen?

Vielleicht entspringen solche Fragen aber nur der Vorstellung einer Kunst als (Produkt aus einem) Labor, nicht in einer Werkstatt geschaffener, schmückender Zeitvertreib, sondern Kunst als experimentelle Betrachtung des Daseins. Jedoch gestaltet der Experimentierende im Labor in diesem Prozess oftmals Spuren des Schmerzes. Also die Kunst unbefangener praktizieren, schauen, was wird? Der Preis wäre, das historisch nur allzu gut überlieferte Wissen um die Tragik des Daseins aufzugeben oder es zumindest seiner Aura zu berauben. Aber ist dies nicht auch Sinn der Experimente? Man betritt Neuland, fasziniert vom Ungewissen, Ungewussten.

"I am not educated, but I am smart“, sagte Elsa Lanchester über sich, die mit dreizehn die Schule verließ, um die Welt zu entdecken. Ihre Worte akzentuierend, funkelten die lebensweisen Augen vergnügt neugierig. Im selben Fernsehinterview sprach sie auch davon, was "Bride of Frankenstein"-Regisseur, der Ästhet James Whale, hinter aller Schönheit vermutete: den Schrecken. Kündet also doch alles Wissen vom Dunkel? 

Zur Diskussion dieser Frage ersann Whale in "Bride of Frankenstein" eine besondere Charade. In einem Prolog sehen wir das zukünftige Monster Elsa Lanchester als Mary W. Shelley, ein Tuch bestickend, im Gespräch mit ihrem Ehemann Percy Bysshe Shelley und einem in pathetischer Verve auftrumpfenden Lord Byron. Sie sagt: "My purpose was to write a moral lesson of the punishment that befell a mortal man who dares to emulate god“, derweil sich Byron, begeistert vom Schauder ihrer noch unpublizierten Novelle, an ihrem Wagemut labt. Er rekapituliert die Handlung vom aus Leichenteilen zusammen gesetzten und im Labor zum Leben erweckten Geschöpf. Als er die zarten Hände, welche diese Schauergeschichte schrieben, ergreifen will, sticht Shelley sich mit der Sticknadel in den Finger und siehe da, ihre neue Geschichte vom künstlichen Leben entspinnt sich alsbald in bizarrer, wie auch organischer Pracht, gleich des Farbverlaufs ihres Blutflecks auf dem weißen Stoff.

Die Geschichte, die der Film dann erzählt, ist die von Entstehen, Vergehen und neuem Entstehen. Schicksalsverläufe, keinesfalls friedlich, sondern voller Schmerz und Schrecken, aber in die Zuversicht mündend, nach dem finsteren Traum in einer besseren Welt aufzuwachen. Führt das ewige Kommen und Gehen in eine bessere Welt? Die Antwort findet sich im Experiment.