KURT RYSLAVY

AUSSTELLUNG 7. September - 13. Oktober 2018   KÖLN

Ausstellungsansichten © by Simon Vogel, Köln

Ausgewählte Werke (zum vergrößern auf Foto klicken) © by Simon Vogel, Köln


DAS GEHEIMNIS DES HAUSES MINIMAL

Ist das nicht bereits ein Frevel? Darf Minimal Art in ihrer sachlichen Erscheinung überhaupt ein Geheimnis bergen? Assoziationen, die eine praktische, den Kunstgenuss überschreitende Verwendung als möglich erscheinen lassen, finden sich allerdings nicht selten. Denken Sie an all die Kleinteile, die sie in den Boxen und Kistchen Donald Judds verstauen könnten. Ja, auch das: ein Frevel! Das Ding ist Ding an sich, damit muss der Betrachter zurechtkommen - Punkt.

Die hier im vorderen Raum zu sehenden Arbeiten Kurt Ryslavys erweisen sich in ihrer strengen Formalität als Werke des Minimal. Farbfeldmalerei, die aber auf kastenförmigem Grund einen Zwischenbereich zur Plastik eröffnet. Gehangen verleiht die dezente Räumlichkeit den Arbeiten eine schwebende, zugleich fordernde Präsenz, während sie, als Plastik auf einem Sockel präsentiert, verletzlich wirken und doch ein geometrisches Statement im Raum sind.

Der genaue Blick lässt Klappverschlüsse und Tragegriffe an den Objekten erkennen. Sind es Schatullen, kleine Koffer? Ein forciertes Spiel mit dem Charakter des Gebrauchsgegenstands oder der vermutete Frevel?

Gleich einem Schmuckkästchen beherbergen Ryslavys Objekte tatsächlich ein Geheimnis: Kunstwerke anderer Künstler. Zu sehen oder nicht zu sehen sind unter anderem Werke von Martin Kippenberger, Georg Herold, Franz West und Christo. Das Credo des Letzteren als "Verpackungskünstler" weist auf die Brisanz von Ryslavys Werk. Beileibe kein Augenzwinkern oder nur Absage an das Minimale. Gleich jenen synkretischen Heiligenfiguren in brasilianischen Kirchen, die in ihrem hohlen Inneren Darstellungen alter Gottheiten verbergen, sabotiert Ryslavys Arbeit herrschende Regeln. Einfach, indem sie Identitäten und Begriffe neu betrachtet. Plötzlich erscheint die akademische, strenge Regeln befolgende Kunst der späten Moderne als religiöse Kunst. Wer darf, mit welchem Wissen, die Werke deuten? Ist das Sichtbare in der Kunst überhaupt maßgeblich?

Gänzlich ungeklärt ist das Verhältnis der Arbeiten, sofern sie überhaupt noch als einzelne Arbeiten existieren. Hülle und Inhalt? - Wohl kaum - erwirkt die Umhüllung doch auf vielerlei Ebenen einen neuen Sinn. Dass diese Infragestellungen Sammler, Galeristen und Künstler verärgern, erinnert an ein Störpotenzial der Kunst jenseits schlichter Provokation.

Schade wäre dennoch, wenn der Ärger vergisst, welche vollkommene Wirkung diese strengen, minimalistischen Arbeiten bereits hatten, bevor wir sie als Skandalon outeten. Wie schade auch, wenn Gepflogenheiten, ja, Machtsysteme nicht befragt würden. Oder gelingt dies Ryslavy so gut, dass man sich nur noch im Zorn oder mit dem Vorwurf der Scharlatanerie weit genug von all dem Verunsichernden distanzieren kann?
Es ist nicht so, dass sich Kurt Ryslavy allein aufs Glatteis begibt. Er kommt vielmehr an einem netten Galerienabend zu uns und weist auf die Beschaffenheit des Untergrunds hin. Trinken Sie ruhig Ihren Wein, auch wenn es von unten knirscht und knarzt.
In einem anderen Werkzyklus zeigt Rsylavy, dessen Denken stets eine Scharnierfunktion impliziert, die signierte Rückseite keilgerahmter Leinwände. Umgeklappt sehen wir schnoddrig aber gut lesbar ausgeführte Rechnungszettel in Acryl, Rechnungen von Weinkäufen, allesamt inklusive Namen und Anschriften der Kunden.
Ist die Kunst privat? Ein Spiel wider der Langeweile in bürgerlichen Existenzen? Und wenn, wäre das wirklich so schlimm? Oder zerreißt Kunst den Vorhang, kippt das Gewohnte, benimmt sich daneben und lässt uns erahnen, wie doppelbödig alle Sicherheit ist?

"Frevel!", ruft die sich bedrängt fühlende Sicherheit. Oder klagt sie nur zu Recht einen Roderick an, der sein Liebstes lebendig einmauerte? Nein, da seien bei Rsylavy die Scharniere vor und die verräterische Freude an der Enthüllung des Geheimnisses, ab und an, wenn es beliebt.  

(Oliver Tepel)