STEFANIE POPP ASTERISMS (THE WURLITZER SERIES)

AUSSTELLUNG 4. Dezember 2020 - 29. Januar 2021   KÖLN

Ausstellungsansichten © by Simon Vogel, Köln

Ausgewählte Werke (zum vergrößern auf Foto klicken) © by Simon Vogel, Köln

Wie male ich Götter?

Eine diffizile Ausgangslage. Sie wartet auf mit vielfältigen Konstellationen möglicher Schwierigkeiten. Es beginnt damit, daß selten das Antlitz des Gottes bekannt ist. Selbst die Repräsentation seiner Gestalt beruht allein auf dem Wissen um spezifische Attribute oder Symbole, in denen sich der Gott zu erkennen gibt (Katzen ausgenommen). Doch die selben Symbole können verschiedene Götter meinen - so etwa beim Blick in den Nachthimmel. Ein bekanntes Beispiel ist jene als "Grosser Wagen" (Wielki Wóz), wie auch als "Großer Bär" bekannte Konstellation. Verweist sie auf den Wagen des Dionysos oder zeigt sich am Firmament der "Herr des nördlichen Himmels", der in der altägyptischen Mythologie "Neb-pet-mehtit" heißt und wahrscheinlich den Gott Seth meint? Es sind doch nur Leuchtpunkte, die wir sehen. Was aber daran liegen mag, daß wir eben nur zu sehen vermögen, aber nicht erkennen können - weder was ist, noch was geschieht.

Was geschieht denn da? Zu sehen sind weder ein Wagen, noch ein Ursa Major, stattdessen eine junge Dame, über die Jahre ist ihr Zopf zu beträchtlicher Länge gewachsen. Sie zerrt an den Haaren eines graublauen, puppenartigen und doch belebt wirkenden Wesens mit Menjou-Bärtchen. Es scheint, als sauge sie seine Haare ein, was ihn erröten lässt. Da ist noch ein anderes Wesen, angetan mit einer ähnlichen Kleidung, wie die Hauptfigur. Lieblos drapiert hängt sie vergessen über einem transparenten Gefäß. Doch wo findet sich der Gott? In der, sich dem Perspektivischen weitgehend entsagenden Malerei erscheinen diverse Punkte. Ergeben sie ein Sternbild? Beim Ellbogen der jungen Dame, gemalt in einer Technik weiss akzentuierter Umrisse, scheinen die Punkte zu leuchten, gleich den Tüchern und der schwimmenden Figur auf Giovanni di Paolos Bild, in dem St. Nikolaus von Tolentino Schiffbrüchige rettet. Elemente der Frührenaissance finden sich vielfach in den verschlungenen Werken von Stefanie Popp, aber ebenso die Indische Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts, manifestiert in Mustern und bedeutungsvollen Gesten. 

Wo eine Shiva Figur skeptisch blickt, kollidieren die Gesten mit den sie flankierenden, religiös anmutenden Skulpturen. Doch ein genüsslich feixendes Kaninchen hat deren Antlitz gekapert, es erinnert an Visionen H.P. Lovecrafts oder an Goyas "Saturn", der noch keine Kinder verzehrt hat und dementsprechend ein veritables Loch im Magen trägt. Das Nichts in sich bergend, geben sie den Blick frei auf den Horizont, dessen Wolken- oder Gebirgs-Formationen in einen sanften Dialog mit den sinnlichen Formen der Figuren im vorgeblichen Ad Absurdum treten. Blicken sie, verehrter Leser, auf die Bildgestalt im Türrahmen, welche insektengleich verharrend, entweder slapstickhaft zu scheitern scheint oder eine doch beachtliche Geste vollführt. 

Diese verwirrende Spannung im Bildraum knüpft sich an eine, im Ausstellungstitel „Asterismus" angelegte, Verschärfung der Eingangsfrage: Was, wenn die Götter sich zeigen und wir es nicht erkennen? Asterismen sind auffällige Sternkonstellationen, welche nicht als Sternbilder bezeichnet wurden (wenngleich sie Teile von Sternbildern bilden können). Es scheint, hier findet Stefanie Popp ihre Antworten: die Götter male ich als jene, die sich mir, jenseits der Überlieferungen, zu erkennen geben. Das führt in einer aufgeklärten Welt natürlich zum Zweifel. Das Unerklärliche bleibt - nichts in Stefanie Popps Kunst verheißt Gewissheit, eher einen Zugang zu dem Unaussprechlichen, welches sich in Verwunderung, Schrecken, Lachen oder den Gesetzen des Schönen offenbart. Ist es das Göttliche? Der weisende Zeigefinger der Hand jener blauen Figur mit dem Menjou-Bärtchen, mag auf diese Frage wo es sich denn manifestieren könnte, eine sehr weltliche Antwort geben. Malen lässt es sich nicht, so wenig, wie der Sinn des Lebens, da sind die Götter vor.

Oliver Tepel